Die Inszenierung von Sakralem, Weltlichem und Populärem. Der pakistanische Künstler Anwar Saeed

Simone Wille

Das öffentliche Leben wie auch die Politik und das Justizsystem Pakistans wurden in den Jahren der Militärdiktatur Zia ul Haq’s (1978-1988) stark islamisiert. Obwohl der General dies als Anlass nahm, der Bevölkerung des Landes eine gemeinsame Identität zu verschaffen, dienten diese Maßnahmen letztlich seinen eigenen Machtansprüchen und Interessen. Unter den Langfolgen dieser Entwicklung leidet das Land bis heute.

Einer der ersten Künstler, der sich sehr früh und sehr kritisch mit dieser Entwicklung auseinandersetzte, ist der 1954 in Lahore geborene Anwar Saeed. Ausgebildet am National College of Arts in Lahore und später, zwischen 1984-85, am Royal College of Art in London, untersucht Saeed mit den Mitteln der Collage, der Zeichnung, der Malerei, der Fotografie sowie diverser Drucktechniken, wohin sich sein konfliktreiches Land politisch, ideologisch, kulturell und vielleicht sogar psychologisch bewegt. Indem er gegen die wortwörtliche Auslegung der Bedeutung Pakistans – „Das Land der Reinen“ – argumentiert, benutzt er sowohl geschriebenes als auch bildliches historisches Material, um die Legitimation von gewissen Wahrheiten zu hinterfragen. Er weist auf das Umschreiben von Schulbüchern und Romanen hin, welche die Positionierung Pakistans als Nation darstellen, deren Geschichte einzig mit dem Einzug des Islam im Subkontinent in Zusammenhang steht und dabei zahlreiche Zivilisationen, Kulturen und Religionen, die vor Ort vorzufinden sind, ignorieren. In diesem Konferenzbeitrag werden Schlüsselarbeiten Anwar Saeeds untersucht und im Kontext der Kunstentwicklung Pakistans in den späten 1980er Jahren betrachtet. Das künstlerische Übereinanderschichten von historischem und zeitgenössisch-populärem Bild- und Schriftmaterial kann als Akt der kulturellen, politischen und sozialen Kritik gesehen werden. Nach K.G. Subramanyan könnte man sagen, dass Saeed dabei versucht, das Limit seiner persönlichen Existenz und seiner persönlichen Erfahrung zu überschreiten; dabei bedient er sich des Systems der Kommunikation. Der kommunikative Aspekt seiner Praxis wird durch ein Verlangen betont, Geschichten zu erzählen. Indem der Künstler seine Bildflächen mittels unterschiedlicher Medien dynamisiert, interagiert er mit den verwendeten Archivmaterialien. Durch den Vorgang des Zerlegens der offiziellen und populären Geschichtserzählung weist der Künstler auf Ungereimtheiten hin, bedient sich dabei jedoch selbst narrativer Methoden. Saeeds künstlerische Reise wird im Rahmen der konfliktreichen Beziehung zwischen dem Lokalen und dessen Bezug zum erweiterten historischem Narrativ betrachtet und folglich in Opposition zu nationalistischen und geschlossenen Kulturen (Arjun Appadurai) untersucht. Indem Saeed „sanktioniertes“ Material und Fragen zum Zentrum seiner Bühne macht (Monica Juneja) und sich dabei religiöser und populärer Zeichen bedient, kann er als Wegbereiter für eine latente Kritik gegenüber dem Nationalstaat gesehen werden.

Simone Wille
Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Medien in Wien, Innsbruck, Rom, Lahore, Karachi und London. Sie ist Leiterin des vom FWF geförderten Forschungsprojekts Patterns of Trans-regional Trails. The materiality of art works and their place in the modern era. Bombay, Paris, Prague, Lahore, ca. 1920s to early 1950s, angesiedelt an der Universität Innsbruck. Zu Willes Publikationen zählt ihr Buch Modern Art in Pakistan. History, Tradition, Place. New Delhi: Routledge, 2015. Sie unterrichtet an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und wohnt in Wien.