IV. Migrationen_Identitäten
Politische und mediale Migrationsdebatten sind meist auch Identitätsdebatten, die das Selbstverständnis von Gesellschaften und supranationalen Einheiten wie „Europa“ betreffen. Auf die „Turbulence of Migration“ (Nikos Papastergiadis) wird häufig mit dem Rückgriff auf reduktive Identitätskonzepte reagiert, in denen nicht zuletzt religiöse Identitäten wieder Konjunktur erleben. Die Diskrepanz zwischen der Diversität/Dynamik migrationsgesellschaftlicher Wirklichkeiten und ihrer simplifizierenden Darstellung in öffentlichen Diskursen und Bildwelten ist groß. Kunst interveniert in dieses politische Konfliktfeld, wenn sie der Varianz von Phänomenen und Erfahrungen Form verleiht und das Problem der Repräsentation an sich reflektiert.
Welche religiösen Tendenzen lassen sich in der modernen/zeitgenössischen Kunst beobachten? Wie stellt sich die Situation in Anbetracht von Migration und Diaspora dar?
Welchen Stellenwert hat der Begriff der kulturellen, religiösen, kollektiven und personalen Identität für die Kunst der Gegenwart und der Moderne?
Im Vordergrund steht die Betrachtung von künstlerischen Praktiken in post- und neokolonialen Konstellationen und gesellschaftlichen Zusammenhängen:
- Künstlerische Produktion im Kontext von Migrationsbewegungen, Flucht, Diaspora- und Exilsituationen
- Stellenwert von Religion(en) in der Kunst der Moderne und Gegenwart
- Künstlerische Praxen und kulturtheoretische Konzepte wie Hybridität, Multi-, Inter- Transkulturalität
- Ethnizität(en) und kulturelle Identität(en) in künstlerischen Praxen
- „Migratory Aestetics“ (Mieke Bal) und „neue Identitäten/neue Ethnizitäten“ (Stuart Hall)
- Relevanz des Migrationsparadigmas für die Kunstgeschichte der Moderne
- Kulturelle Stereotypen und ihre Kritik
- Religiöse und säkulare Fundamentalismen in post/migrantischen Gesellschaften
Christian Kravagna ist Professor für Postcolonial Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sein Buch Transmoderne: Eine Kunstgeschichte des Kontakts erschien 2017 bei b_books, Berlin. Kravagna ist Mitherausgeber des Buches Transcultural Modernisms, Berlin 2013, und Herausgeber von The Museum as Arena: Artists on Institutional Critique, Köln 2001; Agenda: Perspektiven kritischer Kunst, Wien 2000, und Privileg Blick: Kritik der visuellen Kultur, Berlin 1997. Er war von 2005-2014 künstlerischer Leiter (mit Hedwig Saxenhuber) des Kunstraum Lakeside in Klagenfurt.