Konstruktionen von ‚otherness‘ digital erforschen. Die neue Version der Bilddatenbank REALonline und ihre Features.

Isabella Nicka

Wo mit einer Dichotomie von Gleich- und Andersartigem operiert wird, erwartet man mitunter besonders markante bzw. universell wahrnehmbare Unterschiede. Bezogen auf mittelalterliche und frühneuzeitliche visuelle Medien (sowie vermutlich auch weit darüber hinaus) sind es aber vielmehr Details der Darstellungen oder Nuancen in den Darstellungsformen, anhand welcher sich unterschiedliche Konstruktionen von ‚otherness‘ ableiten lassen. In den meisten Fällen finden sich zudem je nach kulturellen, geografischen / zeitlichen oder medialen Kontexten spezifische Modi von Abgrenzungen gegen Andersgläubige, Fremde, sozial Schlechtergestellte, etc. Damit kann auf einen konkreten Adressat_innenkreis bzw. ‚Lesbarkeitsradius‘ geschlossen werden, in welchem ein bestimmtes Bild vom Anderen stabilisiert werden sollte. Ein Recherchetool, das geeignet ist, Forscher_innen bei der Analyse solcher Phänomene zu unterstützen, muss daher einerseits über einen geeigneten Datenvorrat und andererseits über möglichst komplexe Abfragemöglichkeiten verfügen. Die Bilddatenbank REALonline ( realonline.imareal.sbg.ac.at ), die am Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit in Krems (Universität Salzburg) angesiedelt ist, erfüllt die erste Prämisse aufgrund ihrer Zielsetzung: Bereits in den 1970er-Jahren wurde mit der Erschließung mittelalterlicher (und in weiterer Folge auch frühneuzeitlicher) Bildquellen im heutigen Österreich und in angrenzenden Regionen begonnen, die, anders als in den meisten anderen Bilddatenbanken, aufgrund des Interesses an den Kontexten der dargestellten Dinge alle semantischen Elemente – vom Pflaster, das ein Geschwür eines Schergen bedeckt, bis zu einzelnen Bauteilen und -formen von repräsentierter Architektur – umfasst. Eine neue Version von REALonline ist seit Mai 2017 zugänglich. Sie ermöglicht den Nutzer_innen nun auch online, ganz spezifische Fragen an das reiche Datenmaterial zu stellen. Abfragbar wird damit etwa auch, welche dargestellten Personen Kleidung tragen, die mit (pseudo-)hebräischen Schriftzeichen versehen ist, und auszugeben, welche anderen Objekte in direkter Relation zu diesen Figuren stehen. Im Vortrag werden die neuen Funktionalitäten von REALonline vor dem Hintergrund der Frage vorgestellt, welchen Beitrag diese Bilddatenbank leisten kann, wenn es darum geht, Konstruktionen von ‚otherness‘ in den visuellen Medien des Mittelalters und der frühen Neuzeit zu erforschen.

Isabella Nicka studierte Kunstgeschichte in Wien. Seit 2007 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am interdisziplinär ausgerichteten Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit in Krems (Universität Salzburg) tätig. Die Betreuung und Weiterentwicklung der Bilddatenbank REALonline gehört dabei zu den Kernaufgaben. Im Rahmen ihres Dissertationsprojekts „Prozessierte Objekte? Dargestellte Möbel in den visuellen Medien des Mittelalters“ stellte Isabella Nicka unterschiedliche Funktionen dieser repräsentierten Elemente im Bilddiskurs der Zeit heraus. Sowohl dargestellte Objekte als auch „digitale Tools“ in der mediävistischen Kunstgeschichte sind Themen, die sie im Rahmen in der Lehre an der Universität Salzburg einbringt. Zu den Forschungsinteressen von Isabella Nicka gehören visuelle Medien im mittelalterlichen Sakralraum, dargestellte Objekte in der spätmittelalterlichen Malerei und Druckgrafik sowie der Bereich der so genannten Digital Art History.